Keine Trauung - aber ein Segen

Die offizielle Haltung der Kirche ist klar: keine 'kirchliche Trauung für Frauen und Männer, die zum zweiten Mal heiraten möchten. Doch der Segen eines Priesters muss den Paaren deshalb nicht verwehrt bleiben.

 

Der gordische Knoten löst sich

„Hast Du keinen Segen für mich aufgehoben?" So fragt Esau seinen Vater Isaak, nachdem ihn sein Bruder Jakob nicht nur um das Erstgeburtsrecht, sondern auch um den Erstgeburtssegen betrogen hat.

Ganz ähnlich fragen viele Paare ihren Pfarrer, wenn sie nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe ein zweites Mal heiraten wollen. Seelsorger, denen die Menschen nicht gleichgültig sind, trifft diese Frage meist ins Herz. Denn es gibt keine kirchliche Trauung für eine Zweitehe - sofern die erste in den Augen der Kirche gültig war. Aber der Seelsorger wird nun intensiv nach einer Möglichkeit suchen, den beiden zu helfen.

Zunächst wird er sich erzählen lassen, wie das mit der ersten Ehe war, ob sie denn im Sinne der katholischen Kirche wirklich gültig geschlossen wurde. In seltenen Ausnahmefällen löst sich der gordische Knoten dann sehr schnell. Denn tatsächlich gibt es eine Reihe von Gründen, aus denen die Kirche eine Ehe für ungültig erklärt. Zum Beispiel, wenn Eltern ihre Kinder, bei denen sich Nachwuchs angemeldet hatte, in einer Art und Weise zur Ehe drängten, dass sie sich diesem Zwang nicht entziehen konnten - was früher keine Seltenheit war. Oder weil ein Partner dem anderen seine Unfruchtbarkeit bewusst verschwiegen hat.

Für kirchenrechtliche Laien liegen die Gründe, die zur Ungültigkeit einer Ehe führen, nicht immer auf der Hand. Deshalb ist es sinnvoll, mit einem Fachmann darüber zu reden, den jeder Pfarrer vermitteln kann.

Wer auf diese Weise den Nachweis der Ungültigkeit seiner ersten Ehe führen will, muss sich allerdings auf einen längeren und manchmal auch steinigen Weg gefasst machen. Das soll jedoch niemand abschrecken, der von der Richtigkeit seiner Sache überzeugt ist.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Viele sagen aber auch gleich: „Herr Pfarrer, da brauchen wir gar nicht erst lange herumzureden. Meine erste Ehe war in Ordnung, und ich möchte sie nicht schlecht machen. Wir haben uns geliebt und aus ehrlicher Überzeugung heraus geheiratet. Aber letztendlich hat es halt doch nicht geklappt. Sagen Sie uns bitte, was für Möglichkeiten es für uns noch gibt, den kirchlichen Segen zu erhalten."

Dann kann es passieren, dass der Pfarrer mit den Achseln zuckt und sagt: „Ich weiß keine." Denn in seinem Schreiben über Ehe und Familie „familiaris consortio" hat Papst Johannes Paul II. den Seelsorgern ausdrücklich untersagt, anlässlich der standesamtlichen Feier einer Zweitehe einen trauungsähnlichen Ritus für das Paar zu feiern.
Möglicherweise überlegen sich die beiden dann aus Ärger und Trotz den Übertritt zur und die Trauung in der Evangelischen Kirche, die damit weniger Schwierigkeiten hat. Wer seine Heimat in der Katholischen Kirche gefunden hat, wird das jedoch kaum fertig bringen.

Möglicherweise geht aber auch ein Ruck durch ihr Inneres, und sie werden sich neu ihrer Fähigkeit und Berufung bewusst, ihr Leben vor Gott selbst zu verantworten, auch wenn sie das zu einem Konflikt mit den kirchlichen Gesetzen führen sollte. Sie werden sich sagen: Die Katholische Kirche ist auch die unsere - und unsere Kirche lassen wir uns nicht nehmen. Im Gegenteil: Wir wollen bewusst Mitglieder darin bleiben und als solche leben (was im Übrigen auch Johannes Paul II. den wiederverheirateten Geschiedenen überhaupt nicht streitig macht - ganz im Gegenteil!) Und: Wir wollen diese Kirche mitgestalten. Eine gute Hilfe bei diesen Überlegungen bieten das Schreiben der Oberrheinischen Bischöfe über die Möglichkeit zum Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene und die Auseinandersetzung mit Rom, die sich daran anschloss.

Vor Gott Eigenverantwortung übernehmen

Wer so denkt und sein Leben ganz bewusst selbst vor Gott verantwortet, macht einen großen Schritt in Richtung Erwachsenwerden und Mündig- sein im Glauben. Allerdings wird er in seinem Gewissen ganz neu mit der Frage konfrontiert, ob und wie er mit sich und dem Herrgott im Reinen ist. Dazu gehören auch Fragen, die die Oberrheinischen Bischöfe in ihrem Schreiben aufgeworfen haben: Wie ist das mit meiner ersten Ehe gelaufen? Hatte ich eine Mitschuld an ihrem Scheitern, und wie habe ich sie verarbeitet? Habe ich noch etwas gut zu machen? Werde ich meiner Pflicht den Kindern gegenüber gerecht? Und ähnliche Fragen mehr. Es ist schmerzlich, sich diesen Fragen zu stellen, aber erst ihre Klärung bringt eine solide Basis für das weitere Leben.
Kluge Seelsorger ermutigen Paare zu solchen Entwicklungsprozessen und bemühen sich, als verständnisvolle Gesprächspartner daran mitzuwirken. Überall dort, wo Menschen sich mit ihrem Leben ernsthaft auseinandersetzen, ist seelsorgerliche Begleitung ja geradezu herausgefordert. Das kann dazu führen, dass ein Priester sich am Ende trotz der offiziellen Regelung überlegt, ob nicht auch er in diesem konkreten Fall - und jeder Fall ist ja anders - gerufen ist, vor Gott Eigenverantwortung zu übernehmen und den beiden einen Segen eigener Art mitzugeben, auch wenn dies kirchlich nicht abgesegnet ist. Segnen darf ich ja wohl jeden Menschen. Eine kirchliche Trauung kann das allerdings nicht sein - sie wäre nicht gültig.

Keine Trauung - aber ein Segen

Für diesen Fall gibt es inzwischen sogar eine Reihe von Gestaltungsvorschlägen, auf die ein Seelsorger zurückgreifen kann. Möglicherweise wird er allerdings Wert darauf legen, dass eine solche Feier außerhalb der Gemeinde und im kleinen Rahmen stattfindet, um eine öffentliche Unruhe und Unsicherheit zu vermeiden. Dafür wird ein Paar, das sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt hat, Verständnis haben.

Vielleicht wird diese Art des seelsorgerischen Handelns auch für die „große" Kirche einmal zum Anlass, ihre Praxis zu überdenken und dem Beispiel der Ostkirche zu folgen. Die ermöglicht eine kirchliche Wiederheirat in schlichtem Rahmen - nach einer Zeit der Trauer und der Verarbeitung im Blick auf die erste Ehe.

Gerd Babelotzky